TheaterPACK
© Leipziger Volkszeitung, 23. Juli 2014

Mehr Karl May als Homer
Kurzweilige und ideenreiche Freiluft-Unterhaltung: "Die Odyssee" des Theater Pack am Panometer

Von Steffen Georgi


"Sage mir Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes/ Welcher soweit geirrt nach des heiligen Troja Zerstörung." So hebt er an, der erste Gesang der "Odyssee", in angemessen großer Geste auf die jenes wogende Auf und Ab in Hexametern folgt, das seit seiner Schöpfung bis heute nichts an Faszination eingebüßt hat. 
Die Verlockung, Homers Epos auf der Bühne erstehen zu lassen, ist auch deshalb mehr als nur nachvollziehbar. Klippen und Untiefen birgt das freilich dennoch, wie jetzt die Sommerproduktion des Theater Pack zeigt. Am Montag hatte unter der Regie Frank Schletters "Die Odyssee" in der Arena am Panometer Premiere.
Und völlig in Ordnung ist, dass auch in dieser Pack-Inszenierung der Geist des Volkstheaters waltet. Es ist die Lust an Kostüm und Grimasse, an Burleske und Rauferei, dem Bühnenspektakel mit einfachen Mitteln. Eine wohltuend unverkopfte Theaterkarren-Unmittelbarkeit.
Und Witz hat, dass Ensemble-Chef Schletter höchstselbst den Götter-Chef Zeus gibt. Im goldenen Fummel und ziemlich genervt vom Gezicke zwischen Poseidon (herrlich beleidigt und durchtrieben: Mario Rothe-Frese) und Athene (ein toughes Girl und nicht nur vom Outfit her eher an eine Artemis erinnernd: Mona Schubert). Zankapfel der beiden, man weiß es ja: Odysseus.
Der mit seinen Mannen nach dem Geschlachte vor Troja eben nicht wie erhofft nach Ithaka treibt, sondern von einem Abenteuer zum anderen. Und wie dabei zwischen Puppen- und Maskenspiel Zyklopen und Riesen, Skylla und Charybdis, eine krakenarmige Calypso oder todesengelhafte Sirenen in Szene gesetzt sind, hat eben nicht nur den Witz und Charme des Budenzaubers, sondern tatsächlich auch Schauwert.
Der sich in seinen Effekten allerdings maßgeblich steigern ließe, fände die Aufführung im Dunkeln statt. Es ist die Sommertheater-Crux, dass die abendliche Helle der angestrebten Atmosphäre oft abträglich ist. Ein um eine Stunde nach hinten gelegter Spielbeginn, also um 21 Uhr, könnte diesbezüglich gerade im konkreten Fall optimierend wirken.
Wie auch eine etwas sparsamere Handhabung jenes inflationär eingesetzten Soundwaberns (Komposition: Michael Plewinski), das von Konserve dudelnd gleich einem Saucenbinder die Szenen verdicken und verdichten soll. Dass die Musik oft so klingt, als wäre sie für einen TV-Krimi à la "Notruf Hafenkante" geschrieben, macht es nicht besser. Am prägnantesten sind da noch jene Trommelschläge, die nicht nur den Rhythmus für die Ruderer auf Odysseus' Schiff vorgeben, sondern auch nach Schicksalswucht und Archaik klingen. Das live zu hören und zu sehen, wäre nicht ohne Reiz gewesen.
Doch trotz Klippen und Untiefen: Diese "Odyssee" geht nicht baden, sondern kreuzt weitgehend kurzweilig durchs Gewässer der Unterhaltung. Der Spielideen gibt es viele. Jens-Paul Wollenberg wirkt in seinen Besetzungen als Teiresias und Halitherses jeweils als die Variation eines Diogenes aus der Tonne. Halb Philosoph, halb Narr. In jedem Fall derb und weinselig. Passend also.
Wobei die meisten Lacher zu Recht Marko Taubmann als Götterbote Hermes einfährt. An der Grenze zur Travestie verliert er nicht das Maß, hält das Timing, grimassiert Szenen nicht tot. Was umso respektabler ist, als dass er wie das Gros des Ensembles auch in diversen anderen Rollen auftaucht.
Dass nun Odysseus kaum mehr als kernig ist und von jener Charakterwandlung, die ihm Athene einmal bescheinigt, nicht wirklich was spüren lässt, kann man dem Darsteller Jörg Miethe nicht vorwerfen. Ganz klar hat die Regie hier eine Figur angelegt, die eher wie von Karl May als Homer geschaffen scheint. Aber vielleicht muss man das akzeptieren: dass diese "Odyssee" so leicht dahinsegelt, hat auch was mit dem Gewicht zu tun, das man eben nicht mit an Bord nahm.