TheaterPACK

 

© Leipziger Volkszeitung vom 2.Dezember 2008 zum Herunterladen

 

© Leipziger Volkszeitung vom 5.Dezember 2008

Da kriegt die Ente Gänsehaut

Es ist sicher eine Täuschung. Doch scheint es für einen winzigen Augenblick so, als würde die von Kokosraspeln unterwanderte Kürbiscrèmesuppe zusammenzucken. Immerhin bahnt sich gerade ein ungeheurer Verdacht seinen Weg durch die Villa Rosental. „Mord ist kein Missverständnis“, stellt Journalistin Karla klar, bevor die erste Vorspeise auf den Tischen steht.
Dramatik schwebt über den Tellern, Gedanken an ein Schwerverbrechen kreisen durch den Saal. Das Theater Pack gibt bei seinem neuen Dinner-Krimi „Der letzte Gang“, der Mittwoch Premiere hatte, Rätsel auf, die erst vor dem letzten der fünf kulinarischen Intermezzi entnebelt werden. Wer ist Leo Oel? Warum kommt der Shooting-Star der Kunst-Szene nicht zur Vernissage seiner jüngsten Ausstellung? Ist er, wie Karla S. behauptet, tatsächlich abgemurkst worden? Und warum und von wem?
Kabarett-Autor Tom Reichel hat den Text für diese Verschränkung zwischen Speise und Theater geschrieben, Regie führt Pack-Chef Frank Schletter. Entstanden ist eine locker unterhaltende Persiflage auf den Kodex der Kunst-Szene und ihre Protagonisten – auf die große Blase der Bedeutung von Kunstwerken, auf ach so verschwurbelte Bildtitel, auf Sachverstand und Wichtigtuerei. „Erst der Verkauf erklärt das Bild zur Kunst“, doziert Alex. Simone Cohn-Vossen gibt sowohl die instinktsichere Expertin als auch die aufgedrehte Sammlerin, die ihre Kaufentscheidung vom richtigen Riecher ihres Hündchens Tarzan abhängig macht – eine schöne Anspielung auf den Kult eines gewissen Rudolph Moshammer und seines schwanzwedelnden Fußabtreters Daisy.
Neben Cohn-Vossen bauen Natalie Hünig als Journalistin und Assistentin Anna sowie Maria König als Galeristin Giulia das stetig wechselnde Rollengefüge – und auch noch die Band The Packs, die zur Vernissage immer mal wieder ein Ständchen gibt. Und was für welche: In den Arrangements der Chefin der Maria-König-Kapelle verwerfen die drei Damen alle Stil-Vorlagen musikalischer Vorbilder – Kool And The Gangs „Celebration“ kommt mit Glenn Millers „In The Mood“ in einen Quirl und als jazzig-soulige Nummer heraus, Nirvanas Wutausbruch „Smells Like Teen Spirit“ tönt in flötend-perlenden Harmonien, Abbas „Money, Money, Money“ gibt’s hier als zupackende Country-Version.
Richtig gut ist dieses Trio, in Musik wie Schauspiel – und besonders stark Natalie Hünig, wenn sie wie Anke Engelkes „Wochenshow“-Ricky verbal herumstolpert oder der zur Ballade umgestrickten Gaynor-Nummer „I Will Survive“ durch Hiphopper-Gesten eine weitere Stil-Färbung verpasst.
Eine Weile lang funktioniert „Der letzte Gang“ als Theater mit Dinner; im weiteren Verlauf dreht sich das Verhältnis. Dinner mit Theater – da sind die Szenen-Häppchen zwischen dem Aufgetischten doch arg knapp geraten, zumal man den Schauspielerinnen mehr Zeit wünscht, ihre Figuren auszuspielen und die Spannung zu verdichten. Trotzdem ein Rundum-Genuss.
Kurz vor der Auflösung darf das Publikum tippen, wer Leo Oel umgebracht hat. An einem Tisch gerät sogar Hündchen Tarzan ins Zwielicht. Umso überraschender die Enthüllung. Da hat die schmackhaft servierte Ente nicht nur naturbedingt, sondern sicher auch wegen des mysteriösen Falls eine Gänsehaut.

Mark Daniel