TheaterPACK
 TheaterPACK mit gelungener Inszenierung von Ludlams                              "Geheimnis der Irma Vep"

Es ist eine wahre Leistung, bei brütender Hitze in weniger als einer halben Minute von einem Kostüm ins andere zu schlüpfen. Dietmar Voigt und Bernhard Biller müssen dieses Kunststück in Charles Ludlams Gruselkomödie "Das Geheimnis der Irma Vep" mehr als einmal vollbringen. Für den Fall, daß einer beim Umziehen länger braucht, hat Regisseur Frank Schletter ein beachtliches Repertoire an Möglichkeiten zu bieten, wie man auf amüsante Weise Zeit schinden kann.
Die Handlung ist mäßig originell und mitunter sehr verwirrend. Lord Edgar, Herr von Mandacrest, lebt nach dem Ableben seiner ersten Frau Irma mit der zweiten Gattin Lady Enid und der Dienerschaft auf seinem Schloss. Dort spuken Vampire, Werwölfe und Irma persönlich und jeder der Protagonisten hat sein eigenes kleines Geheimnis. Was real ist und was der Einbildung der Figuren entspringt, ist nicht klar auszumachen. Aber dies ist auch nicht wichtig. Als Gruselkomödie erfüllt der neueste Wurf des TheaterPACK seinen Zweck. Es gibt sehr gruselige Momente, und der Humor lauert an jeder Ecke. Allein Voigt und Biller in ihren grotesken Kostümen, die ihre verschiedenen Rollen differenziert und mit einer erstaunlichen Bandbreite an Slapstickvariationen bringen, machen das Stück sehenswert. Selbstironie und das Spiel mit dem Spiel fehlen nicht, wenn Lady Enid (Biller) den Eindruck hat, sie und der Knecht Nicodemus (Biller) seien eine Person. Oder wenn Lord Edgar ("Didi" Voigt) die Inschrift "Die, die schläft ..." vorliest und in tiefen Schlaf fällt. Und, passend zur morbiden Atmosphäre, wird manches schaurige Shakespearezitat aus der Gruft geholt und komisch verpackt serviert.
Besonders beeindruckend sind das multifunktionale Bühnenbild, ein großer Kasten zwischen Beichtstuhl und Sarkophag, und die unzähligen kleinen Spezialeffekte. Kerzen, die von selbst an- und ausgehen, Gemälde, die bluten oder mit den Augen rollen, und ein sich durch dünnen Stoff silhouettenhaft abzeichnender Geist sind die besten, aber längst nicht alle. Es sind vor allem die Details, die Schletters Inszenierungen zum Erlebnis machen, weniger die großen Zusammenhänge. Dies zeigt sich in "Irma Vep" einmal mehr.

Janna Kagerer, LVZ vom 26./27.5.2007

--------------------------------------------- 

Kreuzer 03/2008 

Seltsames geschieht auf Gut Mandacrest. Nach langer Trauer um den Tod seiner Gattin Irma Vep hat Lord Edgar Hillcrest, seines Zeichens Ägyptologe, ein zweites Mal geheiratet. Die Neue, Lady Enid, hat einige Mühe, sich einzuleben. Der Hausdrache Jane Twisden schenkt ihr nur den scheelen Blick. Knecht Nicodemus Underwood irrt nächtens ziellos umher. Und während sich der Hausherr fortwähre

Ist jenes Artefakt, das der Lord aus dem Nildelta mitbrachte, die Quelle des Unheils? Bewirkt der bizarre Kult um Irma Vep den Fluch? Oder gibt das Anagramm in ihrem Namen - "Vampire" - Aufschluss über das Geheimnis?

Das populäre Stück aus der Feder Charles Ludlams (1943-87) spielt mit Elementen aus Schauergeschichten und Gruselfilmen. In der Persiflage von Klassikern wie Bram Stokers "Dracula" oder Alfred Hitchcocks "Rebecca" geben sich Blutsauger, Mumie und Werwolf die Klinke in Hand und Pfote.

Dem eigenwilligen Charme des Stücks trägt die Version des TheaterPack Rechnung. Unter Frank Schletters Regie verleihen überzeichnete Charaktere und unernst-getragene Dialoge der Inszenierung den pathetischen Touch des zitierten Horrorgenres.

Einfach gehalten ist die mobile Kulisse, die nun im Werk II aufgebaut ist: Der Aufsteller, der die meiste Zeit eine Kaminfront darstellt, wird in wenigen Handgriffen zur pharaonischen Grabkammer. Umso üppiger fällt dafür die Kostümierung aus, die es Dietmar Voigt und Bernhard Biller erlaubt, in insgesamt acht Rollen zu schlüpfen.

Erstaunlich ist hierbei ihre Wandelbarkeit. So wird aus dem schneidig-fahrigen Lord die bärbeißige Haushälterin mit ausladendem Gesäß, die Grimasse des humpelnden Dieners zum Antlitz der lichtscheu-lieblichen Enid. Das sorgt für reichlich Abwechslung, allerdings auch für manche Pausen. Denn der rasante Wechsel der Charaktere gelingt nicht immer reibungslos. Zur Überbrückung greift man auf das geläufige Spiel mit Schauspieler und Rolle zurück: "Noch trägt die Pause!" - Das Publikum lächelt und wartet. Das nimmt dem satirischen Grenzgang zuweilen Tempo und Biss. Der Slapstick-Faktor ist dennoch beachtlich und die Gothic-Groteske zünftige Unterhaltung.

Tobias Prüwer im KREUZER 03/2008