TheaterPACK
© Leipziger Volkszeitung, 22. März 2016

Entsorgung lästiger Besucher
Sandra Eckardt glänzt in der jüngsten Theater-Pack-Inszenierung „Der Neurosenkrieg“

Von Lars Schmidt

Jackie heißt eigentlich Jaqueline und kann mühelos zehn absurde Vornamen aufzählen, die sie immer noch lieber trüge als diesen. Sie kommt nicht klar im Job, findet sich zu dick, hat Pickel und spielt ihre Orgasmen vor, sogar die multiplen. Es gibt Menschen, die eine solch riesige Beule im Selbstwertgefühl haben, dass sie Gastgebern nicht mal ihren Vegetarismus zu offenbaren getrauen – um dann prompt nicht etwa einfach nur aufs Klo, sondern genau auf den Angora-Kater der Köche zu kotzen.
Und genau diese Jackie, hinreißend gespielt von Sandra Eckardt im Laden auf Zeit, der Spielstätte des Theater Pack im Leipziger Osten, genau dieses neurotische Nervenbündel erwartet ihren Freund samt dessen strengen Eltern, von denen sie ganz sicher ist, furchtbar gefunden zu werden.
Sie hat, einmal mehr sich selbst verleugnend, einen Braten in der Röhre (natürlich wird auch der an dieser Stelle fällige Kalauer nicht ausgelassen). Und wie immer in solchen Momenten kriegt sie Besuch von ihren längsten und treuesten Vertrauten. Da ist zunächst Bruce, ihr Minderwertigkeitskomplex. Ein fieser Typ, der sie mit zynischem Spott, den er als Ehrlichkeit verkauft, brutal abkanzelt. Was Bruce übrig lässt, fällt in die Hände von Cassie, Jackies Paranoia.
Ein ziemlich unflotter Dreier, eher ein Bermudadreieck: ein Neurosenkrieg.
In Frank Schletters Inszenierung sind Jackies ungebetene Gäste nicht wirklich anwesend. Ihre Stimmen kommen aus dem Off. Sie sind aber sehr präsent und verstehen sich prächtig. Verklemmung und Wahn ergänzen sich wie Bruder und Schwester mit einer unüberhörbaren Affinität zum Inzest. Kurz: Die Abgründe des Alltäglichen in einem flotten, authentischen und sehr gewitzten Text der Kölnerin Melanie Vega. Die Gags prasseln manchmal hageldicht wie in einer guten Sitcom.
Natürlich steckt in der Konstellation ein Teufelskreis: Je besser Sandra Eckardt ihre Neurosen ausspielt, um so nervtötender und unausstehlicher wird die Figur. Es ist die eigentliche Leistung von Text, Mimin und Regie, hier die Kurve zu kriegen und dem bestens amüsierten Publikum eine am Ende doch sympathische, sehr gegenwärtige junge Frau und überdies sogar ein befreiendes Happy End zu präsentieren (…)
Und wir wissen nun beruhigt, dass auch Neurosenkriege gewonnen werden können.