TheaterPACK

© Leipziger Volkszeitung vom 5. September 2011

Voll wie eine Wundertüte
Leider dreht sich das "Kettenkarussell der Unglaublichkeiten" des Theater Pack etwas zu schnell 

Von Verena Lutter


Zirkus, das ist ein Ort des Staunens. Über starke Männer, die Schwerter verschlucken. Über grazile Frauen, die im Spagat auf einem Trapez unter der Zeltkuppel schweben. Und über wilde Tiere, die durch brennende Reifen springen. Das Theater Pack kennt alle diese Kunststücke, denn sie sind schon fast Klischees. Sein "Kettenkarussell der Unglaublichkeiten" auf der Westwerk-Sommerbühne ist eine nostalgische Hommage an die Zirkustradition, die vor ironischen Übertreibungen nur so sprüht.
Bei der Entwicklung der Mau-Mau-Town gelang es den Theater-Pack-Schauspielern, ein fiktives Casino der 1920er Jahre mit stilvollem Personal zu füllen. Auch im Vorfeld der "Kettenkarussell"-Premiere am Freitagabend setzte Regisseur Frank Schletter auf die Kraft der Improvisation. Er ließ Profi Mario Rothe-Frese und die sechs Laiendarsteller erst einmal machen. Das Ergebnis sind Figuren, die man niemals auf der Straße treffen würde: so fantastisch, als kämen sie aus einem Kinderbuch oder Tim-Burton-Film.
Marko Taubmanns viele Alter Egos zählen zur Kategorie "starke Männer". Er ist Esteban, "der Messerwerfer aus dem andalusischen Kosakenzirkus", der die wie eine Meerjungfrau aussehende Asterie (Hannah Schwochow) über die Köpfe des Publikums hinweg an die Wand nagelt. Als Orlando, "der stärkste Mann der Welt aus den tasmanischen Alpen", hebt er später zu Trommelwirbel Gewichte. Doch so viel Kraft, wie es scheint, braucht Taubmann für seine Kunststücke gar nicht. Bei seiner Messerwurf-Nummer klappen sich die Schneidwerkzeuge wie von selbst über den Rand der Zirkuswand, und seine ach so schweren Gewichte bestehen aus zwei mit einer Stange verbundenen Sitzbällen.
Diese Momente, in denen die Unglaublichkeiten als Tricks entlarvt werden, sind die Stärke des "Kettenkarussells der Unglaublichkeiten". Weil sie mit dem brechen, was der Zirkusbesucher gewöhnt ist. Es gibt so viele Überraschungen im Zirkustheater "Halber Fisch", dass sie unmöglich alle in diesen Text passen. Schletters Wundertüte ist zum Platzen gefüllt. Und genau daran liegt die Schwäche seiner neuen Produktion: Bei dem Versuch, so viele Nummern wie möglich aneinander zu reihen, leidet die Tiefe der wunderbaren Figuren. Oder haben Sie schon einmal eine am ganzen Körper tätowierte Fee im rot-grünem Dirndl (Lena Franke) auf der Straße getroffen?
Wenn Schletter jedoch zum zigsten mal zu seiner Ansage "Hochverehrtes Publikum, zauberhafte Gäste" ansetzt, dann wirkt er etwas außer Atem.