TheaterPACK

© Leipziger Volkszeitung vom 22./23. Januar 2011

Don Giovanni gibt den Löffel ab
Die Gäste schlürfen weiter ihr Süppchen: TheaterPACK mit Krimi-Dinner „Mafia al dente“ im Café Waldi

Beim Dessert scheint der Fall gegessen. Die Hintergründe zum Ableben des Mafiabosses sind nach einer überraschenden Wendung offenbar geklärt. Doch unmittelbar nach der schokoladigen Torta Caprese verblüfft der Dinner-Krimi „Mafia al dente“, am Donnerstag vom TheaterPACK im Café Waldi uraufgeführt, mit einem weiteren Schlenker.

Dass Don Giovanni Visconti den Löffel abgeben wird, ist schon vor dem ersten Gang gut vorstellbar. Der Patriarch pflegt einen allzu ungehobelten Umgang mit seiner Familie: Tochter Giulia darf sich nicht mit dem Sohn seines Erzfeindes liieren, seinen missratenen Söhnen begegnet er nicht nur aufgrund des Größenunterschieds nie auf Augenhöhe – Matteo stottert, der weicheiernde Riccardo fühlt sich der Kunst verpflichtet. Allerdings schwächelt auch der Chef der Famiglia, die resolute Gattin Francesca hat Löcher in dessen Autorität gebissen. Nicht zuletzt nervt auch noch die trunksüchtige kreuzlahme Mutter. Kurzum: Das Klima ist vergiftet, nur Scheinheiligkeit und Profitgier hält die Sippe zusammen. Plötzlich knallt ein Schuss, und jeder bemüht sich, Trauer um den Tod des Don glaubhaft vor sich her zu tragen ...
Das Genre Dinner-Krimi lebt von der Verschränkung zwischen boulevardeskem Theater und Kulinarischem. Sie macht das besondere Aroma ebenso aus wie die Gefahr, die dahinter lauert: dass das Schauspiel bloß ein knittriges Feigenblatt zwischen dem Aufgetischten bildet, als Kunstform selbst unter den Restauranttisch fällt.

Die Gefahr umschiffen Autorin Melanie Vega und Regisseur Frank Schletter weitestgehend. Und es nötigt immer wieder Respekt ab, wie der Chef ohne jedes Fördermittelchen mit einer Gruppe aus Profis und Amateuren sowie purem Enthusiasmus seine Produktionen stemmt. In „Mafia al dente“ intrigieren und spionieren Verena Noll, Katrin Jaehne, Günter Schoßböck und Mario Rothe-Frese, künftig alternierend mit Franziska Endres, Franziska Juntke, Ireneusz Rosinski und Schletter selbst. Musik steuert Rosinski an der Gitarre bei.

Zur Premiere könnte das Spiel in der ersten Hälfte mehr Fahrt vertragen, und leider liegen zwischen der Ankündigung von Garnele mit Thymianpolenta und deren Auftauchen arg viele Minuten. In dramaturgischer wie serviererischer Hinsicht zieht später das Tempo jedoch an, und die Atmosphäre in der oberen Waldi-Etage ist ohnehin wie geschaffen für diese Produktion. Das wunderbar Wohnzimmerhafte mit Blick auf die Gebäudekulisse Richtung City toppt jedes Bühnenbild. Da wird auch mal der Don schwach, nimmt seinen Filius in den Arm, deutet Richtung Rathaus und Polizeipräsidium und schwelgt: „Das kann eines Tages alles dir gehören.“ Eine der besonders komischen Szenen des dreistündigen Abends, an dem es der Gaumen mit Spinatsüppchen plus Gänsepraliné, mit zarter Involtini an Ratatouille und Kartoffel-Kräuter-Strudel und mit besagter Torta Caprese zu tun bekommt – ausgezeichnet zubereitet von Phillip Georgi, Thomas Müller und Ronny Harnisch in der Waldi-Küche.
Nach dem Tod des Mafia-Oberhaupts sind die Marotten der Famiglia-Mitglieder wie weggeblasen: Matteo stottert nicht mehr, Giulia ergeht sich nicht mehr in schwülstig-poetischen Formulierungen, und Lieferant Luca entpuppt sich als deutscher Schnüffler. Nur die Alte, die säuft immer noch. Wer denn nun den Don um die Ecke gebracht hat, darf wie immer der Gast per Stimmzettel tippen. Alle haben ein Motiv, doch anders als beim bisher wohl besten Pack-Krimi „Torte in der Themse“ fehlt das besonders Knifflige, das wirklich Geheimnisvolle. Dafür aber sorgen Schletter und Team für zwei Überraschungen in Folge, die das Spektakel pfiffig abrunden – und hier natürlich nicht verraten werden.
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Mark Daniel

 

© kreuzer-online am 21. Januar 2011

„Mafia al dente“ im Café Waldi
Auf dem Visconti-Familien-Bankett fliegen die Fetzen

Verzogene Kinder, eine versoffene Großmutter, bella Mamma und ein machtgieriger Mafia-Boss: Regisseur Frank Schletter vom TheaterPack zeichnet Charaktere wie aus dem Bilderbuch. Kein Klischee lässt er aus. Im Krimidinner „Mafia al dente“ von Melanie Vega fliegen die Fetzen, rauchen die Pistolen. Die nicht ganz ernst gemeinte Gangster-Familien-Geschichte über Mafia und Geld, Liebe und Verrat, Schuld und Sühne ist einfach gute Unterhaltung.

Der Plot ist kurz erzählt: Wo Don Giovanni Visconti regiert, herrscht das Chaos. In der Familie will jeder etwas anderes, sein Erzfeind Don Lorenzo Geld und Macht. Auf einem großen Bankett sollen nun also alle gemeinsam Klartext reden. Geredet wird schon, aber da kaum einer dem anderen traut, fällt bald der erste Schuss. Mit diesem Abgang servieren die Kellnerinnen den ersten Gang: Gebratene Garnele mit Blumenkohlespuma und Thymianpolenta. So ist das eben bei einem Krimidinner. Eventuelle logistische Probleme der Küche überbrückt die Regie mit einer vorsorglich eingebauten Pausennummer. Zum Glück lief bei der Uraufführung am 20. Januar alles wie am Schnürchen, aber am Schluss bekam sogar dieses Detail „dramaturgisches Gewicht“.

In den folgenden Akten müssen die Familienmitglieder nun nicht nur über die geschäftliche Zukunft des Clans entscheiden, sondern auch den Mörder in ihrer Mitte finden. Das Ganze wird ihnen und den Gästen mit Spinatsüppchen und Gänsepraliné, Rinderinvoltini und Kartoffelkräuterstrudel sowie einer schokoladigen Capresetorta mit Feigenzabaione versüßt. Die Auflösung der Geschichte ist zwar alles andere als wie von der „Mafia“ erwartet, aber die Schauspieler Verena Noll, Katrin Jaehne, Günter Schoßböck und Mario Rothe-Frese legen sich noch mal ordentlich ins Zeug, kurze Kostümwechsel inklusive. Allein Katrin Jaehne darf sich innerhalb weniger Sekunden von der jugendlichen Tochter in ihre eigene Großmutter verwandeln. Darauf ein Glas Bellini à la Waldi!

Petra Mewes