TheaterPACK

© Leipziger Volkszeitung vom 17. Juni 2011

Mondän bei Mau-Mau
Auf der Westwerk-Sommerbühne werden Gäste des Theater Pack zu passionierten Zockern

Die Spinnerei hat seit Jahren ihre Bimbo Town, das Westwerk nun seine Mau-Mau-Town: Für seine neue Inszenierung bittet Theater-Pack-Regisseur Frank Schletter die Zuschauer an die Spieltische, wo sie einen Abend lang im Casino-Ambiente der 1920er Jahre zocken. Bei der Premiere am Mittwoch lässt das schillernde Personal von Franky's Bar schnell vergessen, dass hier alles Theater ist.

Von Verena Lutter


Kurz vor 20 Uhr scheinen an den Spieltischen noch mehr Schauspieler als Gäste zu sitzen. Allerdings haben sich einige vor allem weibliche Zuschauer so stilecht gekleidet, dass man sich fragt, ob sie nicht vielleicht zum Mau-Mau-Town-Inventar gehören. Mit ihren ärmellosen Kleidern, schmalkrempigen Hüten und hochhackigen Pumps passen sie perfekt ins Chicago der Zwanziger, das an diesem Abend eine Wiederauferstehung in der ausgedienten Scheune neben der Westwerk-Halle erlebt.
"Im Moment finde ich das alles noch ein bisschen gekünstelt", meint die Mittzwanzigerin mit dem Kurzhaarschnitt am Spieltisch Nummer fünf. Sie hat offenbar Anderes erwartet. Das hier ist kein Stück, bei dem man auf seinem Stuhl sitzt und zusieht. Die Darsteller des Theater Pack behandeln ihre Zuschauer wie reale Gäste in einem Casino. Am Eingang gibt es für jeden einen Chip mit Nummer, dann geht es an die Bar, wo Wein, Bier und Whiskey warten. Kaum am Spieltisch, nähert sich ein Junge in kurzen Hosen und Schiebermütze, der sich als Stan (Johanna Franke) vorstellt: "Sie tragen so schöne Stiefel. Darf ich die für Sie putzen?" Na klar, die haben's sowieso schon länger nötig.
Das Mitmach-Theater funktioniert spätestens, als Conferencier Mr. Simple Dimple (Marko Taubmann) den Gong zur ersten Spielrunde schlägt. An jedem Tisch wird 15 Minuten lang Mau Mau gespielt. Eine Sieben - Mist, zwei ziehen! Ein Bube - wie blöd, dass ich nicht das auf der Hand habe, was mein Nebenmann angesagt hat. Das Spielfieber ist da. Und man freut sich, als der eigene Chips-Stapel wächst.
Ein Casino wäre kein Casino, wären hier nicht noch ein paar skurrile Gestalten unterwegs. Ein Geistlicher im schwarzen Anzug (Mario Rothe-Frese) und vier alte Schachteln (der "Christliche Frauenbund für Abstinenz") warnen die Gäste vor den Gefahren des Alkohol, denn es ist der Vorabend der Prohibition. Bar-Chefin Josie (Melanie Toth) singt den ganzen Abend über schmachtvolle Liebeslieder. Eine Wahrsagerin mit tiefem Dekolleté (Ilona Jahn) sagt dem Tischnachbarn eine glänzende Zukunft voraus. Und in all dem Gewusel sterben auch noch zwei Pianisten, die blitzschnell in weiße Tücher gehüllt und aus der Bar geschmuggelt werden.
Die 14 Darsteller werden die Theater-Pack-Sommerbühne in den nächsten zwölf Wochen in wechselnder Besetzung bespielen. Von ihren Einfällen hängt es ab, wie die Abende verlaufen, an deren Ende jeweils ein Mau-Mau-Sieger steht, der am 7. September beim Champions-Turnier antritt. "Es ist eine Fortsetzungsgeschichte, aber man kann jeden Mittwoch neu einsteigen", verrät Frank Schletter.