TheaterPACK

© Leipziger Volkszeitung vom 18. Mai 2012

Brautkleid versus Silbersneakers 
Teil zwei der theatralischen Modenschau "Der letzte Schrei" - ein stimmiges Gesamtkunstwerk vom Theater Pack  

Von Verena Lutter


Wer ab und zu "Germany's Next Topmodel" einschaltet, der weiß es: Das Model im Brautkleid ist der Liebling des Designers und der Star der Fashionshow. Kein Wunder, dass deswegen am Mittwochabend hinter dem Vorhang des Werk 2 der Zickenkrieg ausbricht. "Wenn eine dieses Kleid tragen soll, dann ich!", schallt es von dort mehrfach in den Zuschauerraum. Doch nur ein Model darf den Traum in Weiß präsentieren. Im Finale von "Der letzte Schrei" stolziert sie über den Laufsteg wie eine Göttin.

Der Streit um das Brautkleid bildet den groben Rahmen der zweiten theatralischen Modenschau des Theater Pack. Eigentlich hatte Regisseur Frank Schletter geplant, die erfolgreiche Show aus dem letzten Jahr einfach noch ein weiteres Mal zu zeigen, um 2013 eine komplett neue Inszenierung zum Thema Männer anzugehen. Doch dann wurde aus der Wiederaufnahme fast eine Premiere. "50 Prozent neue Gesichter, 60 Prozent andere Kreationen, 50 Prozent neue Songs, 40 Prozent mehr artistische Höhe und 40 Prozent mehr Platz fürs Publikum", dröselt es Schletter im Pressetext auf.
Der Platz fürs Publikum ist ein bisschen zu großzügig kalkuliert. Einige Stühle bleiben am Mittwoch leer. Aber das ändert nichts an der gespannten Neugier in und vor der Halle A des Werk 2. Zwei Männer um die 50 warten in edlen schwarzen Anzügen am Einlass, auch ihre Frauen haben sich extra für den Abend schick gemacht. Weiter hinten in der Schlange fragen sich zwei Studentinnen, wie sich wohl ihre Freundin als Model machen wird. Ihre Frisur jedenfalls soll abenteuerlich aussehen, meint die eine.

Gekreppt, geflochten und toupiert wurde, was das Haupthaar aushält. Genauso extravagant sind die Kreationen der vier Leipziger Designer. Bei Bianca Bannach trifft Punk auf schwarze Spitze und Rüschen, Jeannette Schlenzig kombiniert kurze Röcke mit strengen englischen Karos, Weerasak Karnchuangs divenhafte Abendroben gehören definitiv auf den roten Teppich. Romy Marienfeld ließ sich für ihre Accessoires gar von Fantasyfiguren und -architektur inspirieren.

Doch wie im Vorjahr bleibt es nicht bei der Modenschau. Schletter kombiniert sie mit Schauspiel, Akrobatik und Musik. Und alles wirkt wie aus einem Guss. Maria Lutz und Ron Kross vom Akrobatikduo mira-mas schwingen sich direkt vom Laufsteg ins Vertikaltuch und tanzen dort ihre Romanze weiter, die hinter dem Vorhang begann. Harry L. Wenke leiht den Models seine Stimme, imitiert außerdem Martinshorn und Vogelzwitschen. Für ihn, Yngo Gutmann (Schlagzeug, Gitarre) und Claudia Herold (Cello, Loops) wird zum Schluss wieder heftig geklatscht. Ein bisschen schade nur, dass die drei diesmal nicht in abenteuerlich zotteligen Kostümen, sondern in dezenter Abendgarderobe stecken.
Dafür darf einer wieder ganz besonders grottig gewandet über den Laufsteg tänzeln: Henri, der singende Moderator. Sein Anzug ist von oben bis unten mit bunten Flicken und Knöpfen besetzt, die Füße stecken in silbernen Sneakers. Wer hat behauptet, dass es für den großen Auftritt ein Brautkleid braucht?