TheaterPACK
© Leipziger Volkszeitung, 20. Januar 2017

„Ängstigen Sie sich einfach nicht!“
Premiere der Denkperformance „Nachtlichter“ des Theater Pack im Beyerhaus

Von Katharina Stork

„Nepomuk, würdest du den Herrschaften bitte ihre Plätze zuweisen?“ Vor dem Einlass in das Kellergewölbe im Beyerhaus werden die Zuschauer von Ensemble­mitgliedern in steampunkinspirierten Kostümen empfangen. Mittwochabend, 23 Uhr, eine Premiere steht an! Das Theater Pack eröffnet seine monatliche Reihe „Nachtlichter“, eine sogenannte Denkperformance. In Zusammenarbeit mit dem Publikum sollen essenzielle Fragen der Menschheit erörtert und durch Beiträge in Kunst, Kultur und Wissenschaft beleuchtet werden. Das Interessante ist dabei die Frage, ob sich die Sichtweise der Besucher im Laufe des Abends ändert.

„Ängstigen Sie sich nicht, dann machen Sie alles richtig!“, begrüßt Mechthild, gespielt von Anna Seeberger, das Publikum. Alle haben ihre Plätze gefunden und nehmen verwundert zur Kenntnis, dass sie gratis zur Sitzgelegenheit einen neuen Namen erhalten haben, um den Alltag hinter sich zu lassen. Da hört man beispielsweise von „Veganella“ oder „Herrn Drufforski“.

Nach einer kurzen Vorstellung des Wissenschaftlerteams, das seinen Weg auf diesen Planeten gefunden hat, um einige Experimente anzustellen, wird die These des Abends in den Raum gestellt: „Ist die Angst die derzeit größte Triebkraft der gesellschaftlichen Entwicklung?“ Untermalt von Cello-Klängen von Kolophonium (sehr elegant in roter Robe: Paula Schieferecke) muss jeder auf seiner Karte die Bewertungsskala von 2 (nein) bis 9 (ja) anwenden, wobei Nepomuk (sympathisch verpeilt: Mario Rothe-Frese) die Ergebnisse in ein fluoreszierend leuchtendes Gerät einliest. Der Durchschnittswert: 4,2. Professor Comenius Kohlgarten (etwas blass in der Rolle des vielbeschäftigten Wissenschaftlers: Frank Schletter) übernimmt die Moderation, und der praktische Teil beginnt: In drei Szenen kommt das Thema Angst zur Sprache. Das moderne Theater macht den Anfang, und Nepomuk schwankt in seiner Rolle des bankrotten Familienvaters zwischen selbstmordlüsterner Panik und wirren Lösungsansätzen, während seine Gattin, eine Dame aus dem Publikum, friedlich schlummert.

Der Ausflug ins klassische Theater ist ohne Frage der theatralische Höhepunkt des Abends: Mechthild verkörpert mit bewundernswertem Fokus in einem Monolog aus Kleists „Penthesilea“ die höchstverzweifelte Meroe, die den Mord an Achill schildert.

Die Rückkehr in die normale Welt fällt daraufhin schwer, und so wird der dritte Teil vom Publikum verhalten angenommen. In einem Expertengespräch mit O.D.P. Schönknecht, Spezialgast, hätten die Zuschauer die Möglichkeit, selbst Gedanken beizutragen, bleiben aber stumm. Die Umschiffung der Nicht-Reaktion löst das Ensemble humorvoll: Dylan (Nele Peter als Assistentin, herrlich gelangweilt und verwirrt) vermisst plötzlich ihre Ratte und bittet um Hilfe bei der Suche.

Die abschließende Publikumsumfrage bringt ein neues Ergebnis: Der Durchschnittswert steigt auf 6,3. Der Professor konstatiert stolz, dass Kunst, Kultur und Wissenschaft also immer noch etwas in den Köpfen der Menschen bewegen könne. Nach so einem unterhaltsamen Abend mit Tiefgang bleibt zu hoffen, dass dieses Theaterkonzept in Zukunft gut angenommen wird, denn das Format mit seiner liebevollen Rollenausgestaltung zeigt großes Potenzial.