TheaterPACK
© student! (Online-Ausgabe), 17. Juli 2017

Irre gibt es überall

Von Maren Petrich

„Wie schwer ist es doch schon im gewöhnlichen Leben, zu unterscheiden, wer verrückt ist und wer nicht?“ Genau dieser Satz trifft den Kern von Pension Schöller, einem sogenannten Lustspiel, 1890 von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs geschrieben. Kann solch betagter Humor heute noch den Geschmack des Publikums treffen? Das TheaterPACK unter der Leitung von Frank Schletter liefert eine eindeutige Antwort.
Für eine kleine Finanzspritze verpflichtet sich Alfred (Mario Rothe-Frese) dazu, seinem Onkel Philipp Klapproth einen Abend der ganz besonderen Art zu bereiten. Dieser hat nämlich von amüsanten Soirées gehört, die in Nervenheilanstalten stattfinden. Wie Alfred Zugang zu einer solchen finden soll, ist ihm schleierhaft, bis er sich von einem Freund davon überzeugen lässt, seinen Onkel in die Pension Schöller auszuführen. Die ist zwar keine Nervenheilanstalt, aber sonderbare Personen gibt es dort zur Genüge. Während Onkel Klapproth sich in der vermeintlichen Irrenanstalt zunächst prächtig amüsiert, ahnt er nicht, dass er selbst bald einen Psychiater nötig haben könnte.
Im Hintergrund Kühlschrankbrummen und etwas Licht, das hinter dem Tresen nach vorne scheint. Eine gemütliche, urige Atmosphäre herrscht im Naumanns, dem kleinen Saal des Felsenkellers – eher Kulturkneipe als Schickimicki-Theater. Eigentlich sollte die Aufführung draußen im Biergarten stattfinden, doch das TheaterPACK musste sich dem schlechten Wetter beugen und kurzfristig nach drinnen flüchten. Dementsprechend ist auch die kleine Bühne hergerichtet. Nicht viel mehr als zwei Stühle, ein Tisch und eine Trennwand empfangen den Zuschauer. Bereits zu Beginn wird klar, mit großem Bühnenbild und exquisiten Requisiten will dieses Stück nicht überzeugen, obwohl die selbst gebastelte Polaroid-Kamera einen Hingucker bietet. Der Fokus liegt allerdings vielmehr auf der Ausgestaltung der Figuren. Und diese gelingt mit Brillanz.
Die Pensionsbewohner begeistern mit ihrer Schrägheit und ihren kleinen Macken.
Gleich zu Beginn steckt die übereifrige, semiprofessionelle Schriftstellerin Josephine Krüger (Laura Trischkat) das Publikum mit ihrer schrägen Lache an. Dicht gefolgt von Eugen Rümpel. Der Schauspieler in spe hat Talent, jedoch leider einen nicht zu überhörenden Sprachfehler, den Johannes Gabriel mit einer solchen Komik inszeniert, dass dieser während des gesamten Stückes nicht an Witz verliert. So tritt jede Figur mit eigenen markanten Eigenschaften auf und auch wieder ab, denn nach einiger Zeit wird klar: Am Stück beteiligt sind vier Schauspieler, aber dreimal so viele Figuren. Lea Farinah hält dabei mit vier Rollen den Rekord. Nicht nur Kostüm und Stimme werden in Windeseile gewechselt, sondern auch Gestik, Mimik und charakterliches Auftreten. Wäre da nicht die Ähnlichkeit im Gesicht, niemand würde bemerken, dass die Schauspielerin vor nur 30 Sekunden noch als jemand ganz anderes auf der Bühne stand. Dazu trägt auch die wechselnde Kleidung der Figuren bei, die dem Zuschauer in Kombination mit ein paar eingestreuten französischen Begriffen suggeriert, im 19. Jahrhundert zu sein. Knallige Perücken und eine nerdige Hornbrille schlagen wiederum den Bogen zur Moderne, sodass keineswegs von einer altbackenen Inszenierung die Rede sein kann.
Die vier Schauspieler überzeugen nicht nur durch authentische Darstellung ihrer unterschiedlichen Charaktere, sondern auch durch ihr Spiel mit dem Bühnenraum. Jeder Zentimeter wird ausgenutzt, so wirkt die kleine Bühne plötzlich viel größer, als man es beim Betreten des Raumes wahrnimmt.
Ohne dass das ständige Auf- und Abtreten der Figuren gekünstelt erscheint, hat Frank Schletter es geschafft, Pension Schöller auf eine Minimalanzahl von Schauspielern zu reduzieren. Dabei ist es oft die Gegensätzlichkeit zwischen den gespielten Figuren, die das Publikum zum Schmunzeln bringt. Im Zentrum des Stücks bleibt dabei die Frage, ob nicht jeder seine Macken hat und was daran überhaupt so schlimm sein soll. So stellt es sich zum Schluss tatsächlich als ziemlich schwierig heraus zu unterscheiden, wer denn nun im gewöhnlichen Leben verrückt ist und wer nicht, und auch Onkel Klapproth wird letztendlich in den Club der schrägen Vögel aufgenommen.

 

© Leipziger Volkszeitung, 16. März 2017

Großer Spaß: „Pension Schöller“ im Laden auf Zeit

Von Juliane Lochner

Der Umbau ist geglückt. Am Dienstagabend verwandelte das Ensemble Theaterpack sein bescheidenes, verwinkeltes Domizil in der Kohlgartenstraße in die „Pension Schöller“, um die Premiere des gleichnamigen Stückes unter Regie von Frank Schletter zu feiern. Seit dieses 1890 entstandene Lustspiel von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs die Kulturlandschaft bereichert, haben sich schon Generationen von Zuschauern vor Lachen gebogen – und das ist auch diesmal im Laden auf Zeit nicht anders.
Am Anfang steht ein Deal zwischen dem vermögenden Pensionär Philipp Klapproth und dessen Neffen Alfred: Letzterer bekommt sein Geschäft vom Onkel finanziert, wenn er es möglich macht, dass sich der alte Klapproth einmal im Leben zu seiner Gaudi in einer Irrenanstalt umsehen darf. Alfred führt den nichts Ahnenden kurzerhand in die Pension Schöller, wo sich genügend sonderbare Zeitgenossen tummeln, die nach Ansicht des Neffen als meschugge durchgehen können.
Klapproth macht die Bekanntschaft eines großmäuligen Weltenbummlers und einer übereifrigen Schriftstellerin, die unentwegt aus dem ewig sprudelnden Quell des Lebens schöpft und Klapproth zu illustren Ausschmückungen seiner Biografie inspiriert. Die skurrilste Figur ist aber der Möchtegern-Schauspieler, der ebenso tragisch wie heldenhaft gegen seinen Sprachfehler ankämpft – er spricht „n“ statt „l“ – , aber sich vor keiner noch so grandiosen Rolle scheut, sei es Othenno oder Wannenstein.
Der arme Klapproth, von allen Seiten durch Spinner bedrängt, gerät tüchtig in die Bredouille, weshalb er bald wieder das Weite sucht. Allerdings heften diese kauzigen Gestalten sich an dessen Fersen, im Folgeenden erwartet ihn zu Hause eine regelrechte Heimsuchung. Zum Glück richtet sich das Ganze zum Besten für alle Beteiligten, und mit dem Etikett „wunderbarer alter Knacker“, das ihm einer seiner neuen Bekannten verpasst, kann Klapproth wahrscheinlich gut leben. Am Ende ist die Botschaft jedem klar: Wir haben alle unseren Vogel.
Die insgesamt 13 Rollen werden in Frank Schletters Regie von vier Darstellern gespielt, die im fliegendem Wechsel auf die Bühne stürmen, der umwerfende Mario Rothe-Frese als Onkel und Neffe Klapproth vorneweg. Die anderen Rollen übernehmen mit sprühendem Esprit Johannes Gabriel, Rebecca Lara Müller und Mona Schubert. Zur genüsslichen Unterhaltung trägt auch die nostalgische Atmosphäre bei, von der Bühnengestaltung über die Kostüme bis hin zur Sprache, in der es noch Wörter wie „fidel“ und „famos“ gibt. Sapperment, was für ein Spaß!