TheaterPACK
© Leipziger Volkszeitung, 28. Januar 2019

Daddeldu ist im Leben nichts fremd
„Ringelnatz!“ hat im Laden auf Zeit Premiere

Von Juliane Lochner

 
„Ringelnatz!“, so lautet kurz und bündig der Titel der szenischen Lesung, zu der das TheaterPACK eingeladen hatte. Die hatte am Samstag im „Laden auf Zeit“ in der Kohlgartenstraße Premiere: Unter Regie von Frank Schletter agieren auf der als Wohnstube eingerichteten Bühne zwei Personen. Auf leisen Sohlen tritt die erste ein und zündet die Kerzen an, die alles in ein behagliches Licht tauchen. Dann kommt der Zweite und macht es sich auf dem Sessel bequem.

Monique Heße sowie Eckart Stephan leihen den Texten – die einen mehr, die anderen weniger bekannt – ihre Stimmen. Es ist eine Hommage an den früh verstorbenen Schriftsteller, Dichter und Kabarettisten, der mit bürgerlichem Namen Hans Gustav Bötticher hieß und in der Weimarer Republik durch seine humoristischen Schriften und eigenen Bühnenauftritte bekannt wurde, dessen Gedichte aber auch politischen Biss haben konnten.

Meistenteils kommt an diesem Abend die berühmte Kunstfigur Kuttel Daddeldu zu Wort, jener schrullige Matrose, der sein krauses Seemannsgarn spinnt. Ringelnatz, der selbst einige Jahre zur See fuhr, wurde dabei nicht glücklich; was er sich als zu klein geratener Sachse mit einem riesigen Zinken im Gesicht an Spott anhören musste, verarbeitete er im Gedicht vom Nasenkönig. Herzzerreißend weint da der Hans, das geht auch dem Publikum ordentlich unter die Haut. Ganz fies dagegen das Gedicht von Silvester bei den Kannibalen, wo Lebern zerhackt und Bäckchen paniert werden…

Aber ansonsten erzählt er uns schnurrige Sachen, dieser „etwas schief ins Leben gebaute“ Daddeldu, der sich zwischen Schweden, China und Honolulu herumtreibt und seine Braut am Peterskai besucht, wo sie bei einer Abortfrau eine Lehre macht. Daddeldu hat keine Berührungsängste, ihm ist nichts fremd, er hat ja in Sansibar, Tirol, Kalkutta und sonstwo gelernt, „wie sonderbar die Menschen sind“.

Während Eckart Stephan die männlichen Parts übernimmt, kommen von Monique Heße die Geräusche pfeifender Winde, kreischender Möwen und knarrender Schiffsbohlen, und sie musiziert auf der Mandoline, deren Tremolo hier und da neapolitanisch-romantisch anmutet. Und sie zitiert lustvoll „Mein Wannenbad“, das wohl nicht die große weite Welt des Daddeldu beschwört, aber auch mit gurgelnden Fluten, Walfischen und Wogenschaum aufwartet. Auch ein aufmüpfiges Gedicht aus dem Turngedichte-Zyklus sagt sie auf: „Werdet schwanger, ihr Weiber! Wenn nicht immer mal wieder zwei Menschen hurten, blieben zuletzt die Wirtshäuser leer, gäb’s keine Soldaten mehr.“ Ein hellsichtiger Wink von Ringelnatz lange vor dem zweiten schlimmen Krieg.

Die Zuschauer lauschen mal fröhlich, mal andächtig, auf jeden Fall beseelt. Beim Abgang erschallt zur allgemeinen Freude „Eine Seefahrt, die ist lustig“, woraufhin noch die gewünschte Zugabe gewährt wird. Ein schöner Abend.