TheaterPACK

© Leipziger Volkszeitung vom 25. Juni 2010

Die Nacht der scharfen Messer
Unterhaltsame Bühnenversion des Theater Pack von Stevensons „Schatzinsel“ als Sommertheater im Westwerk

Mit seinem Roman „Die Schatzinsel“ gelang dem schottischen Autor Robert L. Stevenson einst ein wahrhaftiger Coup. Bereits seit mehr als 100 Jahren begeistert die Geschichte rund um einen mutigen Lausebub, die Skelettinsel und allerhand trügerische Piraten Jung und Alt gleichermaßen und gehört weltweit zu einem der Klassiker der Jugendliteratur.

Regisseur Frank Schletter machte sich diesen Stoff nun zu eigen und feierte mitsamt seiner Crew des Theater Pack vor reichlich Publikum am Mittwoch die Premiere der Bestseller-Interpretation auf der Sommerbühne des Westwerks.
Erzählt wird die Geschichte vom 13-jährigen Jim Hawkins, dargestellt von einer überzeugenden Friederike Ziegler, der sich unverhofft auf große Schatzsuche begibt. Doch es gilt nicht nur, die tückische Seekrankheit zu überwinden. Schon bald merkt der junge Jim, dass noch viel mehr Gefahren auf einem Schiff lauern können. Meuternde Piraten beispielsweise, angeführt vom hinterlistigen John Silver (Bernhard Biller).

Zur Eskalation kommt es mit der Ankunft auf der Schatzinsel. Jims schlimmste Alpträume werden wahr, die Seeräuber machen ernst, und der Bursche muss sich zum ersten Mal in seinem Leben als Mann beweisen. Trotz des spannenden Inhalts mag zu Beginn der Veranstaltung eine abenteuerliche Stimmung noch nicht so recht aufkommen. Zu karg erscheint dafür die Bühne, etwas zu minimalistisch. Der der „Schatzinsel“ innewohnende Zauber entfaltet sich mit dem Einzug der Schauspieler, denn sie liefern die Finessen.

Gekonnt tragen Jörg Miethe und Mario Rothe-Frese verwegene Kämpfe auf der Bühne aus, während Simone Cohn-Vossen mit leuchtenden Augen in großartiger Weise für Slapstick-Momente sorgt. Allen voran stellt sich jedoch ein Mann: der in Leipzig bestens bekannte Dichter und Sänger Jens-Paul Wollenberg in der Rolle des Ben Gunn. Vor langer Zeit als Matrose auf der Skelettinsel ausgesetzt, wirkt Gunn auf Hawkins wie ein Irrer unter Palmen, der ihm aber in seiner prekären Situation helfen kann. Der Künstler versteht es, seiner Figur Leben einzuhauchen und absolut authentisch zu wirken. Der Wahnsinn des Ausgesetzten steht ihm glaubhaft ins Gesicht geschrieben, wenn die Augen unter den buschigen Brauen gefährlich blitzen.

Wollenberg bringt Schwung in den manchmal ein wenig langatmig wirkenden ersten Akt des Stücks. Und gegen Ende könnte man glatt meinen: Wollenberg, das ist einer, der den Piraten nicht nur mimt, sondern im Herzen tatsächlich einer ist.

Trotz anfänglicher Beschaulichkeit mündet „Die Schatzinsel“ Schletters in einem großen Spaß für all diejenigen, die gegrölte Shantys mögen, Rum vorzüglich finden und keine Angst vor scharfen Messern haben. Und lernen kann man natürlich auch etwas: Früh übt sich, was ein richtiger Pirat werden will.

Anne-Sophie Kretschmer