TheaterPACK

© Leipziger Volkszeitung vom 27. Juni 2011

Mehr Klamauk als Politkritik
Das Theater Pack bleibt in seiner Fassung von Dario Fos "Bezahlt wird nicht!" auf der Westwerk-Sommerbühne eher zahm

Von Verena Lutter


"Ich bin nicht mit der Idee zum Theater gegangen, Hamlet zu spielen, sondern mit der Ansicht, ein Clown zu sein, ein Hanswurst", sagte Dario Fo anno 1997 in Stockholm, als er für sein volkstümlich-politisches Agitationstheater mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Auch Frank Schletters Inszenierung der Fo-Farce "Bezahlt wird nicht!" auf der Westwerk-Sommerbühne punktet am Samstagabend mit clownesken Momenten. Die politischen Bezüge wirken dabei eher wie Beiwerk.
Fos Komödie spielt im Mailand der 1970er und ist eine Satire auf die politischen Unruhen der Anni di Piombo (bleiernen Jahre) in Italien. Damals sahen sich die christdemokratischen Regierungen vom linksextremen Terror bedroht, der das ganze Land in Schrecken versetzte und zu einer Stärkung der Kommunistischen Partei führte. Fo zeigt, wie einfache Bürger zu Dieben werden, weil sie die Preissteigerungen bei Waren des täglichen Gebrauchs nicht mehr hinnehmen wollen. Dabei geraten sie in komische Situationen, weil sich die Figuren, aus Angst, ihr Diebesgut könnte entdeckt werden, zu Tricks und hanebüchenen Aktionen hinreißen lassen.
Antonia (resolut verkörpert von Verena Noll) treibt ihre Freundin Margherita (gespielt von Sylvia Metz mit blonder Lockenperücke und schüchternem Augenaufschlag) dazu an, eine Schwangerschaft vorzutäuschen, um den Carabiniere (Alexander Aue) von einer Leibesvisitation abzuhalten. Unter ihrem Mantel versteckt sie geklaute Lebensmittel. Antonias Mann Giovanni (schön bieder: Bernhard Biller) schimpft erst aufs "Lumpenproletariat" und stiehlt im zweiten Akt gemeinsam mit Margheritas Mann Luigi (aufbrausend und mit schön schmierig gegelter Frisur: Mario Rothe-Frese) Säcke mit Ätz-Natron, als er von seiner bevorstehenden Entlassung erfährt.
Die schwierigste Aufgabe hat in der Theater-Pack-Fassung Alexander Aue, der gleich vier Personen spielen muss. Aber das kann er: Aue beherrscht das Aufgeblasene des Polizisten und Carabinieres genauso gut wie das Zurückhaltende des Bestatters und das Tattrige von Giovannis Vater. Seinen komischsten Auftritt hat er als wiederbelebter Carabiniere mit gewaltigem Bauch, der etwas zu viel aus Antonias Sauerstoffflasche abbekommen hat: "Mutter, ich bin Mutter!", ruft er ergriffen ins Telefon.
Dario Fo wurde mehrmals im Leben von der Bühne weg verhaftet. Den Theater-Pack-Darstellern wird das nicht passieren. Dafür klebt Frank Schletter zu stark am Original aus dem Jahr 1974, dessen kapitalismuskritischer Anspruch zwar in die jetzige Zeit passt (siehe Griechenland-Krise), aber eine Prise mehr Modernität braucht, um heute für Empörung zu sorgen. So wiegt auf der Westwerk-Sommerbühne der Klamauk schwerer als die Politkritik. Was ja auch nicht unbedingt schlecht sein muss.