© Leipziger Volkszeitung vom 4. April 2011
Klischees und Klamotten
Bestechender Mix aus Modenschau und Schauspiel vom Theater Pack im Werk II
Alles wartet auf sie. Mitarbeiter wuseln aufgeregt durch den Saal. Hoffentlich wird es ihr gefallen. Als sie in edle Stoffe und teure Marken gehüllt den Raum betritt, dreht sich alles nur um sie: Fotografen reißen sich um den besten Platz, Küsschen rechts, Küsschen links – sie lächelt müde und platziert sich in der ersten Reihe der exklusiven Modenschau. Wie schon einige Film- und Theater-Regisseure vor ihm, leiten Frank Schletter und das Theater Pack die Premiere der theatralischen Modenschau „Der letzte Schrei“ am Freitag im Werk II mit einem Ritual des Modegeschäfts ein – der Verehrung einer einzelnen einflussreichen Person, die das modische Geschehen bestimmt.
Das Stück thematisiert immer wieder solche Eigenarten des Modeljobs wie den Schönheitswahn, Konkurrenzkampf und Zickenkrieg – sowohl hinter dem Vorhang – der Grenze zwischen Schein und Realität – als auch im Licht des Laufstegs. Wunderbar satirisch.
Gemeinsam mit den lokalen Mode-Designern Bianca Bannach und Weerasak Karnchuang und der Musik-Combo aus Trude Sky, Harry L. Wenke und Yngo Gutmann kreierte Schletter ein Stück aus ernstzunehmender Modenschau und theatralischer Persiflage auf die bizarre Welt des Modegeschäfts.Der Stil der präsentierten Kleider bewegt sich zwischen schlichter Eleganz, rockigen Fetzen und großen Roben – dabei immer abgestimmt zur jeweiligen Stimmung des besonderen Stücks. Die Band, ebenfalls in extravagante Stoffe gehüllt, bekommt den größten Applaus in der ausverkauften Halle D. Der Frontmann imitiert genial Tierlaute oder Herzklopfen, singt in wunderbarem Tenor bis zur Free-Jazz-Attitüde – Trude Sky bekommt als einziger der 23 Künstler eine Stimme und erzählt auch die Geschichte zu den Models mit; eine der wichtigsten Rollen des Projekts.
Schletter schafft es, verschiedenste kulturelle Szenen der Stadt miteinander zu vereinen: Theater, Musik, Mode und Handwerk, Akrobatik und Tanz – all das wird in „Der letzte Schrei“ verarbeitet, grenzt sich aber auch voneinander ab und verhindert so ein abstraktes Chaos. Auch die Künstler bereichern das Stück mit unterschiedlichen Hintergründen: Neben einigen Schauspielern aus dem Ensemble konnte der Chef auch junge Laien und verschiedenste professionelle Models gewinnen.
So entstand ein bestechendes Projekt, das an einigen Stellen durchaus ausbaufähig ist. Die Improvisation, auf die Schletter sehr viel Wert legt, birgt unter Laien-Schauspielern stets Gefahren und kann auch nicht immer gut umgesetzt werden. Dennoch ist eine behutsame Inszenierung, eine eigene kleine Modewelt entstanden, ohne Überladung banaler Klischees. Für die zweite Vorstellung am Ende des Monats kündigt Schletter schon an: „Dieses Projekt entwickelt sich. An einigen Stellen werden wir arbeiten, andere werden wir ganz anders machen. Aber auf jeden Fall will ich in diese Richtung weiterarbeiten.“
Theresa Rentsch
Kleiner Nachtrag vom Webmaster: Der musikalische Frontmann ist Harry L. Wenke (nicht Trude Sky).
© kreuzer-online am 27. April 2011
Schön Mode schauen
Spektakulär: »Der letzte Schrei« vermengt alles zum stylisch-schrillen Catwalk-Cocktail
Der Beititel »eine theatrale Modenschau« ist eine glatte Untertreibung für diesen Abend. Was das TheaterPack mit »Der letzte Schrei« auf die Beine stellt, ist ein ästhetischer Rundumschlag, bei dem wenig ausgelassen wird. Schon am Empfang lauert die große Show. Eine Schlange kämpft um den Einlass auf den roten Teppich – Vorsicht vor der kleinen Bodenwelle. Im Blitzlichtgewitter wird man begrüßt, bekommt ein Gläschen Sekt gereicht und zuvorkommende junge Damen und Herren geleiten die Zuschauer zu ihren Plätzen. Diese befinden sich links und rechts eines imposanten Laufstegs, der sich durch den Raum zieht. Am Kopfende stehen in bunten Overalls verpackte Musiker und nehmen alsbald ihr Klang-Spiel auf. Die Band begleitet das folgende Spektakel lautmalend in Wort und Ton.
Sobald eine ominöse Berühmtheit – man erkennt ihren Status am Gefolge und der Fotografenmeute – ihren Sitzplatz in der ersten Reihe gefunden hat, beginnt das Mode-Schauen. Schöne Menschen fangen an, über den Laufsteg zu spazieren. Immer wieder passiert dabei Ungereimtes. Wie über eine unsichtbare Schwelle stolpern die Mode-Tragenden. Im Hintergrund hört man die Models streiten – man sieht lediglich ihre Silhouetten, weil ein Stoffvorhang den Backstage-Blick nur halbtransparent zulässt. Es dreht sich darum, wer denn in des Designers Gunst das blasierte Näschen am weitesten vorn hat und das Brautkleid – eine Sünde in Weiß – tragen darf. Zickenalarm, in dem die Streitenden nicht nur weiblich sind.
Die Kleider der Schauspielenden/Models sind keine Inszenierungen: Sie stammen von den Jung-Designern Bianca Bannach und Weerasak Karnchuang. In vier Durchgängen zeigen sie ihre Kreationen für den Alltag wie den großen Moment. Diese hat Regisseur Frank Schletter zu kleinen Szenen auf dem Laufsteg arrangiert. Man sieht etwa das bunte Treiben an einem Imbissstand oder das Schaulaufen am Pier 1. Dazwischen sind mit Akrobatik am vertikalen Seil und Ring-Trapez artistische Kleinkunstakte gewoben. Und immer wieder sind Konflikte aus der Maske zu erahnen. Auch wenn man nicht alles versteht, was sich hier abspielt, so zieht diese Revue in ihren Bann und man kann nicht anders, als sich einfach auf das opulente Gesamtkunstwerk einlassen – denn diese Schau haut aufs Auge.
Tobias Prüwer