Gelungen: Aberwitziger „Sommernachtstraum“ des TheaterPacks
So viel Zirkus darf sein – wenn das Schauspiel stimmt. Bei der neuen Inszenierung von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ des Leipziger TheaterPacks ist das der Fall. Auf der Hofbühne der Pittlerwerke inszeniert Frank Schletter ein aberwitziges Bäumchen-Wechsel-Dich-Rollenspiel.
„Eigentlich“ ist das Wort der Stunde. Auch im Theater. Denn eigentlich war nämlich ein anderes Stück an anderem Ort geplant. Aber dass Zukunft planbar ist und brav mit unseren Vorhaben kooperiert, ist ja eine jener typischen Fehleinschätzungen unserer Zeit, über die sich nicht zuletzt William Shakespeare schlapp gelacht hätte. Denn erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt. Und wer weiß das besser als das Personal aus Shakespeares „Sommernachtstraum“?
Oder jetzt auch das TheaterPack, die Schauspieltruppe um Frank Schletter, die, so dachte sie, ihre diesjährige Sommerproduktion eigentlich (!) mit einem ganz anderen Stück (welchem auch immer) an ganz anderem Ort (Scheibenholz) bestreiten wollte. Und die dann wegen der Corona-Umstände kurzfristig auf dem Gelände der Pittlerwerke landete, um dort auf einer Hofbühne statt dem Geplanten kurzfristig den „Sommernachtstraum“ zu inszenieren. Und das dann prompt auch noch „mit der heißen Nadel gestrickt“.
So formuliert es Schletter vor Stückbeginn in einer kleinen Ansprache ans Publikum, ob der man durchaus anfängt Schlimmes zu fürchten. Aber wie gesagt – es kommt anders, als man denkt. Denn mag dieser „Sommernachtstraum“ auch mit der heißen Nadel gestrickt und szenisch zudem oft auch aus grobem Holz geschnitzt sein, so besteht doch zugleich genau darin ein Gutteil seines Vergnügens.
Schletter inszeniert so, wie er gern inszeniert: Im Volkstheater-Modus, schnörkellos geradeaus, mit Kostümen aus dem Theaterkarren-Fundus. Dazu kommen Glitter, Flitter, Nebelmaschine. Und eine Feuerjonglage gibt es ebenfalls. Sicher doch, so viel Zirkus darf sein – wenn denn das Schauspiel stimmt.
Gefühl und Ratio als Schmierenkomödianten
Was hier, wenn nicht in Kontinuität, so doch meistens der Fall ist. Zumal eingedenk eines fliegenden Rollenwechsels, zu dem das Gros der Hauptdarsteller verdonnert wurde und der als offensiv aberwitziges Bäumchen-Wechsel-Dich-Rollenspiel maßgeblich zur Unterhaltung beiträgt.
Konzeptionell stimmig ist das außerdem bei diesem Stück, das von der ja auch grausamen Wechselhaftigkeit unserer Empfindungen erzählt. Von der Unzulänglichkeit unseres Verstandes und der Unzuverlässigkeit unserer Emotionen. Gefühl und Ratio offenbaren sich hier als Schmierenkomödianten in wechselnden Maskeraden.
Und auch das erzählt sich eben, wenn etwa Inka Wiederspohn zum einen die Hermia als bezaubernd taffes Mädchen gibt und dann den Zettel als zum Brüllen komischen, na ja, Esel. Eine hinreißende Performance. Gilt auch für Frank Schilcher, der seinen Lysander erst diese Hermia aufs Herzigste anschmachten lässt, um sie dann aufs Herzloseste zu demütigen. Und im ergänzenden Kontrast dazu den Squenz als einen zeigt, dem die eigenen beherzten Ambitionen über den dafür nicht ganz ausreichend ausgestatteten Kopf wachsen.
Puck bleibt stumm
Überhaupt gelingen der Inszenierung in den berühmten Handwerker-Szenen, diesem Stück-im-Stück-Kabinettstück Shakespeares, die besten Kabinettstücke. Während Isa Flaccus ihren Flaut amüsant an der S- und Sch-Aussprache scheitern lässt, spielt Mario Rothe-Frese den Schlucker, der „die Wand“ spielt, als tragikomisch armen Schlucker, der unter der Last seiner anspruchsvollen Rolle im wahrsten Sinne zusammenzubrechen droht.
Dass indes Puck (Linda Lütkemüller) hier gar nichts zu sagen bekommt und still über die Bühne tänzelt, mag man bedauern. So wie man fraglos auch über Schwächen gut und gern nörgeln könnte. Würde am Resümee indes nichts ändern: eigentlich ein recht gelungener „Sommernachtstraum“.
Steffen Georgi